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Weihnacht
Ein Gedicht von Ludwig Anzengruber
Ob hoch, ob nieder wir geboren, So wie uns antritt das Geschick, So geht der frohe Kindesblick, Das Kinderherz geht uns verloren.
Wir fühlen mählich uns verhärten 'gen alter Sagen Trost und Lust, Die uns des Lebens wirren Wust Zur heil'gen Einheit einst verklärten.
Zerstoben bis auf wen'ge Reste Ist der Erinnerung Gewalt, Abwägend stehen wir und kalt Selbst vor des Jahres schönstem Feste.
Wir stehn vor einem toten Baume, Gemordet an des Waldes Rand, Geschmückt mit Flitter und mit Tand, Gar ungleich unserm Kindheitstraume.
Doch stürzet dann herein zur Schwelle Die kleine Schar mit Jubelschrei, Dann schleicht auch uns ins Herz dabei Der Weihnachtslichter frohe Helle.
Und glänzt dein Aug' in freud'gem Schimmer, O, sage mir, was es verschlägt, Wenn das, was dir das Herz bewegt, Auch eitel Tand nur ist und Flimmer?
Dem allem, was mit scharfen Sinnen Du an den Dingen dir erschließ'st, Und was du wägst und zählst und miss'st, Dem läßt kein Glück sich abgewinnen!
Was dich an Leiden und an Freuden Auf deines Lebens Bahn betrifft, Es ist des Herzens Runenschrift, Und nur das Herz weiß sie zu deuten.
Drum laß das Kritteln und Verneinen Und lautern Herzens sei bereit, Zur frohen, sel'gen Weihnachtszeit Dem Kinderjubel dich zu einen.
Erfasse ganz des Glaubens Fülle, Der deine Kindheit einst durchweht, Vom Gott, der hilfbereit ersteht, In armer, dürft'ger Menschenhülle.
Der Heiland wallt allzeit auf Erden, Das glaube felsenfest und treu, Nur freilich muß er stets aufs neu' In jedes Brust geboren werden.
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