Übersicht Weihnachtsgedichte
Stille Nacht, Heilige Nacht
Ein Gedicht von Gerhard Mühe aus Wolfenbüttel
Über die stille und heilige Nacht, da hab' ich mir oft schon Gedanken gemacht. Doch komme ich dabei nur stets zu dem Ziel, von "Stille und heilig", da ist nicht mehr viel. Denn was ist an Stille, und was noch an Frieden, uns heute auf diesem Erdball beschieden?
Früher da hat uns die heilige Nacht, im kältesten Winter noch Wärme gebracht. Und gerne und oft träum' ich auch noch heut' von den Heimlichkeiten der Vorweihnachtszeit.
Mit einfachsten Mitteln verstanden die Alten, die Weihnachtszeit heiter und froh zu gestalten. Ein Jedermann hatte das feste Bestreben dem Ander'n nur Freude und Liebe zu geben. Da wurde gesägt und gefeilt und lackiert, was an Spielzeug entzwei war noch schnell repariert, die Mutter stach Herzen und Plätzchen aus und nach Mandeln und Nüssen roch es im Haus. Ganz untätig war’n auch die Kinder nicht, sie lernten noch schnell ein Weihnachtsgedicht und dazu dann auch noch ein ganz neues Lied, weil das Christkind doch alles hört und auch sieht. Am Abend da saß dann zu dämmriger Stunde, die ganze Familie in vertrauter Runde. Man erzählte und hörte, man sang und man spielte Und man wusste genau, was der Andere fühlte. Man hatte noch für den Anderen Zeit Und war innerlich für die Weihnacht bereit. Man saß in der Küche und hat aus dem Herd Das Zischen von Bratäpfeln wieder gehört. Die Wohnzimmertür war seit langem schon zu, denn der Raum war für Kinder und Eltern tabu. Die Tür wurde erst wieder aufgemacht Am ersehnten Abend der heiligen Nacht. Und riefen zur Christvesper abends die Glocken, dann blieb damals niemand zu Hause hocken. Die heilige Nacht ohne Kirchgang? -- Auf Ehre, das war was, was niemals gegangen wäre! Man sah überm Altar den leuchtenden Stern Und hörte die frohe Botschaft des Herrn. Viel schöner und heller erschienen die Kerzen, sie strahlten hinein in geöffnete Herzen und dazu erklangen, wie jedes Jahr wieder, die alten, innigen Weihnachtslieder. Und ein ganz tiefer Frieden stellte sich ein, trat man hinaus in den Sternenschein. Man war fest überzeugt: „Man war nicht verloren, denn Christus, der Heiland, war wieder geboren!“ Eine Bilderbuch-Weihnacht, so werdet Ihr sagen. Doch möcht’ ich Euch dazu nur Folgendes fragen: Habt Ihr noch die Zeit, Euch mit Eueren Kleinen Auch gemeinsam um einen Tisch zu vereinen? Singt Ihr noch die Lieder der heiligen Nacht? Habt Ihr schon mal selber ein Spielzeug gemacht?
Eilt Ihr nicht ins Kaufhaus und sucht mit den Händen Geschenke, in längst schon durchwühlten Ständen? Ihr sucht und Ihr hastet und seit ganz geschlaucht Und Ihr kauft irgendetwas, was nie jemand braucht. Doch das ist nicht wichtig, wichtig ist jetzt, dass man keinen vergisst, dass man keinen verletzt.
Und so rennt Ihr denn weiter, total überlastet, doch man achtet nicht drauf, es wird weiter gehastet. Und wirklich, am heiligen Abend dann, kommt Ihr mit den letzten Geschenken dann an. Ihr seid zwar erledigt und ehrlich gestresst, doch nun kann es kommen, das Weihnachtsfest. Und es kommt auch wieder, das ist ja ganz klar, denn Weihnachten gibt es nun mal jedes Jahr.
Doch rufen die Glocken zur heiligen Nacht, dann wird nicht im Traum an die Kirche gedacht. Was soll man denn da in die Kälte hinaus? Die Weihnacht holt man sich per Fernseh’n ins Haus.
Ein Knopfdruck genügt schon und der Apparat Hat dann die perfekte Weihnacht parat. Doch was ist `ne Andacht im Fernseh’n schon wert, wenn sie niemand beachtet und keiner sie hört? Es sieht niemand hin und es läuft auch kein Ton. Was gibt’s da schon Neues? - Das kennt man doch schon!
Dann kommen die Kinder, sie stehen im Raum Und schauen hinauf zu dem Plastikbaum. – Zwar sieht man auch heut’ auf den Tannenspitzen, immer noch goldene Lichter blitzen, doch bei näherem Hinseh’n erkennt man schon bald, dieses Licht wärmt nicht, weil es künstlich und kalt. Es blendet das Auge, es wärmt das Gesicht – Doch bis in die Herzen, da dringt es nicht!
Und so stehen die Kinder, verlegen und stumm, eine ganz kleine Weile wohl noch so herum. Es wird nicht gesungen, kein Weihnachtsgedicht, auch die Weihnachtsgeschichte, - man hört sie nicht. Der Kassettenrecorder, der Technik sei Dank, beliefert uns laut mit dem Weihnachtsgesang.
Doch das wird von allen fast gar nicht vernommen, man sieht erst, was so an Geschenken gekommen; und weiß man es dann, und man sieht diesen Haufen, dann ist auch die Weihnacht schon ziemlich gelaufen.
Nun wird’s etwas lauter, die Kinder sie spielen, falls sie nicht noch in den Geschenken wühlen. Und dazu ertönt dann, wieder und wieder, das Weihnachtslied aller Weihnachtslieder.
Aber heute, das weiß man, da kennt man sich aus, gehören die Lieder nun einmal ins Haus!
Doch gleich darauf gibt’s ein neues Geschrei, denn das erste Spielzeug ging schon entzwei.
Da plärrt nun das Tonband, jedoch nicht viel minder Ist auch das Geheul der enttäuschten Kinder. Doch wird die Geschichte erst richtig perfekt, als der Vater `nen Fehler der Mutter entdeckt. Die Ärmste, sie hat doch total vergessen, einen Tisch zu bestellen, für’s Mittagessen.
Nun, die Stimmung auf diesem Weihnachtsfest, sich wohl allzu leicht nur erraten lässt. Die Kinder enttäuscht, die Eltern verzankt Und dazu erklingt, dass es jedem nun langt, zum vierzigsten Male, mit aller Macht, das Lied von der stillen und heiligen Nacht.
Ich hab eine Bitte, sie sei nicht verwehrt, auch ich möchte schreien, dass jeder sie hört:
Oh Herr, gib es noch einmal, gib Frieden auf Erden, und laß es noch einmal wie einst wieder werden!
Oh Herr, laß es uns nur noch einmal erfahren, was Du uns geschenkt hast vor zweitausend Jahren, als Du die Erlösung, den Frieden gebracht!
Oh Herr, gib „DIE STILLE, DIE HEILIGE NACHT!!!“
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